AQL und Wareneingangsprüfung2006-09-25T10:51:14+01:00

QM-Forum Foren Qualitätsmanagement AQL und Wareneingangsprüfung

Ansicht von 10 Beiträgen - 1 bis 10 (von insgesamt 10)
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  • birgitg
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 47

    Hallo
    Ich habe mal eine Frage aber vorab erstmal der Hintergrund:
    Wir haben bei unserem Lieferanten ALUzuschnitte aus ALMG3 beidseitig foliert bestellt, auf der Bestellung haben wir vermerkt, daß die Platten unbedingt kratzerfrei sein müssen, da die Teile später absolute Sichtteile sind.
    Unser Lieferant hat dann 370 Platten beidseitig foliert geliefert, ich habe eine Stichprobenprüfung da die Platten schwer sind und auch auf Paletten gestapelt waren von nur 15 Platten gemacht und dabei keine Fehler festgestellt. Hier meine Frage war die Stichprobe zu klein ?
    Während unserer Fertigung stellte sich dann heraus, daß einige Platten nicht richtig foliert sind was ich gleich reklamiert habe und die Reklamation hat auch der Lieferant anerkannt.
    Nach unserer Bearbeitung gingen die Platten zum eloxieren, als dort die Folie abgezogen wurde stellte sich heraus, daß ein Großteil der Platten unter den Folien stark verkrazt ist (ca. die Hälfte der Platten) aus Termingründen haben wir dann alle fertig eloxiert und mit usnerem Kunden zusammen entschieden welche Platten noch verwendet werden können (leider hatte unser Lieferant keine Zeit bei unserem Kundengespräch).
    Jetzt stehen wir vor Gericht der Lieferant hat auf seiner Bestellung komischerweise nicht kratzerfrei stehen obwohl es auf unserem Fax und dem Faxprotokoll deutlich lesbar ist, der Lieferant behauptet ich hätte unverzüglich bei Lieferung die Kratzer reklamieren sollen, doch ich denke das ist ein versteckter Mängel
    Wie seht Ihr die Sache da ich mich mit AQL nicht so gut auskenne, war meine Stichprobe repräsentativ oder nicht ?
    Liebe Grüße
    Birgit

    pen_26
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 411

    Bei Eingang der Ware auf dem Lieferschein vermerken “ Mit vorbehalt übernommen“
    Du kannst ja die Ware nicht gleich anschauen.

    robbob
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 384

    zu der AQL gibt es ne Norm -> aus meinen unterlagen die DIN 40080, Die sollte aber beim Kauf vereinbart werden. DA dort die unterschiedlichen niveaus vereinbart werden müssten. Zudem muss man noch den grenzwert p vereinbaren.

    Exemplarisch DIN 40080:
    N 370
    Prüfniveaus 1

    Stichprobe 20 St. -> bei AQL 1 -> bei einen Schlechten Rückweisung der ganzen Lieferung

    bei AQL 4 – > 2 schlechte keine rückweisung, 3 schlecht rückweisung etc.

    hoffe konnte weiterhelfen. Verfahren kenne ich aber aus fast keinen praktischen anwendung. -> automobilisten wird jedes teil reklamiert.

    gruss

    robbob

    Systemmanager
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 291

    Hallo Birgitg!

    Ganz grundsätzlich muss festgehalten werden, dass du Mängel sofort nach dem Entdecken dem Lieferanten melden musst. Du kannst nicht einfach weiter arbeiten und dann den Lieferanten mit Kosten belasten wollen. Nun musst du mit dem Lieferanten die weitere Vorgehensweise festlegen, auch die Kostenfrage.

    Das HGB schreibt jedem Unternehmen vor, die Ware bei Übernahme zu prüfen. Es schreibt aber nicht vor, wie….

    Nun zu euren Verträgen. Du hast doch sicher eine Zeichnung oder eine Spezifikation, aus der die Qualitüätsanforderungen hervorgehen. Dabe reicht „frei von Kratzern“ nicht aus, da es so etwas nicht gibt. Daher musst du festlegen wie groß Kratzer sein dürfen. Ferner wo die sein dürfen und wie viele es sein dürfen. Sichtteile sind da sehr genau zu spezifizieren. Grenzmuster sind anzuferigen.

    Nun zur Stichprobe. Wenn du dir eben 10 – 15 Stück ansiehst, dann ist das deine Festlegung und daher ok. Du kannst auch mehr oder weniger festlegen. Wesentlich ist, dass du deinem Lieferanten gegenüber deine Anforderungen genau festlegst.
    Und es ist ratsam festzulegen, dass du im Zuge von Stichproben keine Fehler azeptierst.
    D.H. jeder Stichprobenplan lässt NUll Fehler zu.
    Findest du einen Fehler, ob in der WE-Prüfung, oder im Prozess, musst du das Recht haben, den gesamten Lagerbestand zu reklamieren.
    Du hast Anspruch auf Ersatz oder Wandlung. Produktionsausfälle müssen nur dann vom Lieferanten bezahlt werden, wenn dies ausdrüßcklich vereinbart ist. Nacharbeiten und Aussuchaktionen müssen vorher vereinbart sein.

    Systemmanager :-)

    birgitg
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 47

    Hallo
    danke für Eure Hilfen, wir haben nun Ende Oktober die Gerichtsverhandlung mit Sachverständigem. Bin wirklich gespannt was dabei rauskommt, denn wir haben Kratzerfrei bestellt, der Lieferant hat die Bestellung angenommen also bedeutet dies ja er hat unsere Forderung akzeptiert.
    Danke für die AQL Erklärung, ich bin jetzt zwar immer noch nicht socher ob ich einen Fehler gemacht habe oder nicht, aber das wird sich zeigen.
    Liebe Grüße an alle
    Birgit

    QM-Dino
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 1402

    Moin,

    etwas schwierig.. aber interessant….

    Punkt 1: Du hast folierte Tafeln bestellt. Die verarbeitet ihr mit Folie, diese wird erst nachher bzw. dann vorm eloxieren entfernt, um eine weitgehende Kratzerfreiheit zu gewährleisten.
    –> Wenn die Folie in Ordnung ist solltest du davon ausgehen, dass deine Tafeln i.o. sind. Sind sie es nicht, ist es ein verdeckter bzw. versteckter Mangel, den musst du unmittelbar nach der Kennnisnahme reklamieren.
    Ist die Folie defekt so KANN unter Umständen der Kratzer auch IM Material sein, also ein offener Mangel, ergo umgehend zu reklamieren.

    Sprich: vor dem Verarbeiten JEDE Tafel beidseitig auf Beschädigung der Folie kontrollieren.

    Punkt 2: Wenn ihr kratzerfrei bestellt habt und der Lieferant das auf der bei EUCH liegenden Auftragsbestätigung so bestätigt (sch… Deutsch), so hat er damit dies als gegeben angenommen. (Wobei ich ehrlichweise nen Sch.. drauf gebe, ob da jemand meint, man müsse die Größe der Kratzer definieren. Wenn ich ein neues Auto kauf, dann muss das auch Kratzerfrei sein und net mit nem Protokoll kommen, dass 13 Kratzer drin sind, wobei jeder einzelne und in Masse die Toleranz net überschreiten….)
    Du hast dir sogar die Arbeit gemacht, dir die Tafeln genau anzusehen.

    Ich hab mal nen ähnlichen Fall gehabt. Waren hochglanzpolierte Tafeln, kratzerfrei… Schön wärs gewesen, nach Entfernen der Folie waren die Dinger eigentlich net mehr zu gebrauchen da zerkratzt. Und der Lieferant hat die Pille schlucken müssen…..

    Laß dich net ins Boxhorn jagen. Ich bin der Meinung, du hast im Prinzip alles richtig gemacht, aber hau immer nen Stempel drauf:
    „Vorbehaltlich eventuell auftretender Mängel, die nachträglich reklamiert werden, angenommen“ oder so ähnlich.

    Dino

    Wenn du ein Schiff bauen willst, fang nicht an, Holz zusammenzutragen, Bretter zu schneiden und Arbeit zu verteilen, sondern wecke in den Männern die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.
    (Antoine de Saint-Exupery)

    Loretta
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 724

    evt. hilft dir der hier weiter:

    Rechtsanwalt Dr.-Ing. Heinz W. Adams

    gruß loretta


    „Ist der Mensch nach Ausfall aller Gehirnfunktionen wirklich tot, oder einfach nur ein deutscher Abgeordneter?“ (Matthias Richling)

    monika.heinze
    Mitglied
    Beitragsanzahl: 264

    Ich bin der Meinung, du hast im Prinzip alles richtig gemacht, aber hau immer nen Stempel drauf:
    „Vorbehaltlich eventuell auftretender Mängel, die nachträglich reklamiert werden, angenommen“ oder so ähnlich.

    Also, das vorbehaltlich kannste knicken. Wie lange willste denn den Vorbehalt aufrechterhalten? Entweder du prüfst oder nicht. Versteckte Mängel kannste nicht prüfen, sonst wären sie nicht versteckt. Und weil auch der Gesetzgeber das weiß haste ja bei versteckten Mängeln 10 Jahre, um die zu reklamieren.

    Monika

    Barbara
    Senior Moderator
    Beitragsanzahl: 2766

    Hallo zusammen,

    als erstes: Die 40080 ist vor 13 Jahren(!) zurück gezogen worden, genauer: Die 40080 ist letztmalig 1979 erschienen und im April 1993 zurückgezogen worden. Der Nachfolger ist die DIN ISO 2859-1. Die Veränderungen von 40080 zu 2859-1 sind minimal (laut Aussage von Beuth & Änderungsangaben in der 2859-1). Warum das Produkthaftungsgesetz das nach wie vor unberücksichtigt lässt, ist mir schleierhaft.

    Und dann gibt es noch etwas, das häufig bei der Anwendung der AQL-Norm übersehen wird:
    2859-1: geeignet für Serienlieferung / attributive Merkmale / AQL-Prüfung
    2859-2: geeignet für Einzellieferung / attributive Merkmale / LQ-Prüfung

    (Dass ich aus statistischer Sicht die AQL-Normen für ziemlich bedenklich halte und eine Prüfung danach mit erheblichen Risiken verbunden sein kann, hab ich hier schon des öfteren ausführlich beschrieben. Wer das nachlesen möchte, benutzt bitte die Suche-Funktion.)

    Für eine Stichprobenprüfung von Einzellieferungen wäre also die 2859-2 die geeignete Norm. Dummerweise gibt es da keine Pläne für 0% Fehler. Das ist auch nicht möglich, denn wenn alles absolut fehlerfrei sein muss, dann hab ich keine Unsicherheiten mehr im System, sondern eine deterministische Vorgabe, die keine Abweichung haben darf. Insofern komme ich in dieser Situation auch nur mit einer 100%-Prüfung wirklich weiter und nicht mehr mit statistischen Verfahren oder AQL-/LQ-Plänen.

    Der kleinste LQ-Wert in den Vorzugswerten sind 0,5%, d. h. bei 370 Platten wären höchstens 370*0,005=1,85 bzw. 2 zerkratzte Platten zu erwarten gewesen. Dies entspricht einem AQL-Wert von 0,065% (bzw. 0,24 Platten, also eigentlich keiner in einem Einzellos von 370 Platten).

    Mit diesen Werten ergibt sich für ein normales Prüfniveau II ein notwendiger Stichprobenumfang von 800, bei der höchsten eine zerkratzte Platte gefunden werden darf. Da Du weniger als 800 Platten bekommen hast, müsstest Du also nach 2859-2 eine 100%-Prüfung durchführen. So weit, so schlecht.

    Denn wenn Du die Risiken für eine Fehlentscheidung durch die üblichen Werte begrenzt und damit den Stichprobenumfang statistisch ausrechnest bzw. den Fehler 2. Art bestimmst, dann ergeben sich noch gruseligere Werte. (Fehler 1. Art alpha: Risiko dafür, dass Du trotz guter Qualität eine Lieferung irrtümlich ablehnst, Fehler 2. Art beta: Risiko dafür, dass Du trotz schlechter Qualität eine Lieferung irrtümlich annimmst. alpha wird üblicherweise auf 5% gesetzt, beta auf 10%. Je kleiner das Risiko sein soll, desto größer wird der benötigte Stichprobenumfang.)

    p1=0,0065 (so sollte der Ausschuss-Anteil in der Lieferung wünschenswerter Weise höchstens sein / AQL-Wert)
    p2=0,005 (ab diesem Ausschuss-Anteil soll die Stichprobenprüfung reagieren)
    untersucht: n=15 Platten
    alpha=5%
    ergibt ein beta von 64%, sprich ein Risiko für eine irrtümlich akzeptierte Lieferung von 64%. Autsch.

    Wenn Du anders herum gehst und alpha=5%, beta=10% setzt (mit den oben stehenden p1 und p2-Werten), dann brauchst Du einen Stichprobenumfang von
    n=926
    um die WE-Prüfung abzusichern bzw. die Risiken für eine Fehlentscheidung zu begrenzen.

    Das sind allerdings nur die statistischen Aspekte Deines Problems. Ich denke auch, dass Du in erster Linie über die Liefervereinbarung etc. weiterkommst.

    Viele Grüße

    Barbara

    _____________________________________

    „Was war das für eine Stimme?“ schrie Arthur.
    „Ich weiß nicht“, brüllte Ford zurück, „ich weiß es nicht. Es klang wie Wahrscheinlichkeitsrechnung.“
    Douglas Adams – Per Anhalter durch die Galaxis

    Systemmanager
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 291

    @ Barbara:
    ….deswegen verwendet man auch nicht das AQL-Stichprobensystem, sonden Null-Fehler Stichprobenpläne, wenn überhaupt…

    Systemmanger :-)

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